Eine Einführung
Eine Zivilklausel stellt eine Selbstverpflichtung einer Institution dar, bei der diese eine besondere und explizite Verantwortung übernimmt. Diese Selbstverpflichtung beinhaltet es, friedliche Ziele mittels ziviler Zwecke zu verfolgen. [1] Explizite Zivilklauseln mit verschiedenen Formulierungen können hier gefunden werden, wir wollen im weiteren jedoch die zuvor genannte Definition verwenden. Ein häufiges Ziel von Zivilklauseln ist es, eine friedensethische Praxis im Hochschulalltag zu etablieren. Sie hat einen normativen Charakter, indem sie richtiges und falsches Verhalten festlegt. Zivilklausen gehen also davon aus, dass die Institutionen, die sie verabschieden, moralische Akteur:innen sind. Im Folgenden wird explizit über Zivilklauseln an Universitäten gesprochen, diese sind jedoch auch für Banken, Unternehmen, Ministerien, etc. denkbar.
Als Frieden wollen wir gewaltfreie Konfliktaustragung bezeichnen (siehe Harald Müller: Begriff, Theorien und Praxis des Friedens). Dieser Frieden kann nur als globaler Frieden und Gemeinwohl verstanden werden, bei dem es nicht darum geht, den Frieden in reichen Ländern zu Ungunsten anderer Erdteile aufrecht zu erhalten. Dies impliziert eine strenge Abgrenzung zur Abschreckungslogik, da die Androhung von Gewalt nicht gewaltfrei ist. Zivil wollen wir als Gegensatz zu militärisch sehen. So kann zum Beispiel eine Uni mit einer Zivilklausel nicht mit dem Militär oder Rüstungs- und Waffenkonzernen zusammenarbeiten. Zivile Mittel definieren den Handlungsspielraum zum Erreichen der friedlichen Ziele. Erreicht werden können diese Dinge nur durch Transparenz und Partizipation der Hochschulmitglieder. Man kann also von drei Stufen sprechen, einer Friedensklausel, die eine Vision vorgibt, einer Zivilklausel, die die Mission der Hochschule definiert und einer Transparenzklausel, die eine Strategie zum Erreichen der Vision und Mission ist.
Mit einer Friedensklausel gibt eine Institution sich selbst also einen Auftrag, der beispielsweise darin liegen kann, zu den UN Nachhaltigkeitszielen beizutragen. Während eine Friedensklausel sehr allgemein und oft von verschiedenen Definitionen von Frieden abhängig ist, ist eine Zivilklausel sehr viel konkreter, da sie bereits gewisse Handlungen fordert, wie beispielsweise den Stopp der Verwendung ziviler Forschungsinfrastruktur für militärische Zwecke. Transparenz ist notwendig, da überprüfbar sein muss woher eine Hochschule ihre Forschungsmittel bezieht. Dementsprechend ist es konsequent und notwendig, mit der Einführung einer Zivilklausel ebenso die Einführung einer Transparenzklausel zu fordern.
Beispiele von Zivilklauseln
Ein Beispiel für eine, mittlerweile gestrichene Zivilklausel, ist jene aus dem Hochschulgesetz des deutschen Bundeslandes NRW (11. September 2014 – 11. Juli 2019):
„Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung.“
Wir teilen diese Einstellung und sehen es als gut an, den Auftrag von Hochschulen so zu definieren. Ein Beispiel für eine Art Zivilklausel ist jene der Wiener Universität für Bodenkultur. Diese hat im März 2015 eine Ethik-Charta verabschiedet. Im zweiten Kapitel “Ethische Prinzipien und Werte der BOKU” unter dem Punkt Zivilbindung wird explizit ausgeführt:
“Ziel der BOKU ist die positive Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft. Forschung und Lehre an der BOKU sind friedlichen Zielen verpflichtet. Die Forschung, die Entwicklung und Optimierung technischer und sozialer Systeme, oder die Veränderung biologischer Systeme, sind auf eine Verwendung für zivile Zwecke ausgerichtet.”
Die Ethik-Charta war das Resultat langer Diskussionen innerhalb der BOKU, nachdem Bettina Figl in einer Reportage mit dem Titel Pentagon Stories Forschungsfinanzierung aus den USA an österreichischen Unis aufgedeckt hat. Wir haben sie zu unserer Tagung im Herbst 2019 eingeladen und sie hat dort einen Vortrag dazu gehalten. Außerdem haben wir den Vorsitzenden der Ethik Plattform, Wolfgang Liebert, eingeladen, welcher in seinem Vortrag ebenfalls über die Einführung der Klausel an der BOKU berichtet.
Der Vorwurf, der von Zivilklauseln ausgeht
Daran, dass Zivilklauseln in den letzten Jahrzehnten an verschiedenen Unis in Deutschland und Österreich umkämpft sind, sieht man, dass es nicht per se klar ist, dass Universitäten strikt zivile Einrichtungen sind. Die Forderung einer Zivilklausel geht einher mit dem Vorwurf, dass sich Universitäten normalerweise nicht unbedingt zivil oder friedensförderlich verhalten. Militärische Forschung in zivilen Institutionen wirft verschiedene Widersprüche hervor. Einerseits sollte der wissenschaftliche Prozess ein öffentlicher sein, andererseits sind die Ergebnisse militärischer Forschung meist nicht öffentlich, finden jedoch an öffentlich finanzierten Institutionen statt. Dies ist intransparent und schränkt die Freiheit der Wissenschaft ein, das generierte Wissen öffentlich zugänglich zu machen.
Dass eine Heeresakademie keine zivile Einrichtung ist, ist klar, aber dass sich beispielsweise die TU Wien und die Uni Wien dagegen wehren, auf Zusammenarbeit mit dem Militär und Rüstungskonzernen zu verzichten, ist doch beachtlich. Mit Zusammenarbeit und Finanzierung geht auch Einflussnahme einher, was wir problematisieren wollen. Zugespitzt kann man sagen, dass es für viele demokratisch gesinnte Menschen klar ist, dass das Militär keine Kontrolle über zivile politische Entscheidungsgremien haben sollte. Auch Lenkungseffekte sollten aus dieser Perspektive betrachtet klar abgelehnt werden.
Die Debatte um Zivilklauseln wird oft individualisiert, an einzelnen Forscher:innen und deren Freiheit, an verschiedenen Themen zu forschen, geführt. Unserer Meinung nach sollte diese Frage jedoch nicht auf einer individuellen Ebene, sondern auf einer universitären Ebene geklärt werden. Einzelne Forscher:innen sollten nicht vor der Frage stehen müssen, ob sie Geld von militärischen Institutionen annehmen oder arbeitslos sind. Dies ist eine Überforderung und ein Allein-Lassen von Universitätsangehörigen. Eine Hochschule sollte einen ethischen Standard setzen, weswegen wir es für wichtig halten, dafür Gremien und Mechanismen zu schaffen, bei denen demokratische Mitbestimmung aller Statusgruppen, Lehrender, Forschender sowie Studierender, möglich ist.
Was Zivilklauseln bewirken sollen
Die Zivilklausel des Bundeslandes NRW ist als Auftrag formuliert. Dieser liegt darin, gesellschaftlicher Verantwortung für eine bessere Welt nachzukommen. Basierend auf diesem Auftrag haben viele Universitäten noch immer existierende Zivilklauseln in ihre Grundordnungen geschrieben und diese hatten auch konkrete Auswirkungen auf Forschungs- und Militarisierungsprojekte, zum Beispiel bei der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für eine Panzerfabrik oder der Gründung einer Cyberagentur im Bundesverteidigungsministerium von Deutschland, bei der der Forschungsdirektor im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Hochschulen von “richtig dicken Brettern” bezugnehmend auf Zivilklauseln und Dual-Use-Problematik spricht.
Die Zivilklausel-Debatte kann auch als Teil einer tieferliegenden Debatte verstanden werden: “Für wen existieren Hochschulen?” oder “Wem dient Wissenschaft?” Dies ist nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre relevant. Was wird gelehrt und was nicht. Was wird erforscht und was nicht. Wird für die Interessen von Arbeitgeber:innen und Standortinteressen eines Landes in einem globalen kapitalistischen Wettstreit zwischen verschiedenen Ländern und Konzernen, also für die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte, das Gründen von Start-ups, etc. gearbeitet, oder um die großen Probleme der Menschheit (Klimakrise, Nuklearwaffen, ungleiche Verteilung von Ressourcen, etc.) anzugehen und zu lösen. Wo auf diesem Spektrum man sich als Universität positionieren möchte, ist eine wichtige Entscheidung, die Angehörige einer Universität treffen sollten.
Zivilklauseln haben einen normativen Charakter, sie legen also fest, was gut und was schlecht ist. Der Prozess, der der tatsächlichen Etablierung einer Zivilklausel voran geht, ist definitiv wichtiger als deren deklaratorische Einführung, denn eine Zivilklausel braucht eine Zivilgesellschaft die einerseits hinter ihr steht und dieser Beachtung schenkt und andererseits deren Einhaltung überwacht. Um dies zu gewährleisten, ist es wichtig, dass am Weg zur Einführung einer Zivilklausel viele Gespräche, Reflexion und Beratung stattfinden. Wenn der Prozess demokratisch und unter Einbeziehung aller relevanten Statusgruppen geführt wird, kann dieser Prozess sehr wertvoll für die Institution und alle Beteiligten sein, denn die eigene Bedeutung für die Gesellschaft zu verstehen und zu reflektieren kann wichtige Anstöße geben, um für diese Gesellschaft wirksam zu sein und zu werden.
Der Effekt über die Hochschule hinaus
In einer Hochschule mit Zivilklausel werden Transparenz und demokratische Mitbestimmung gelebt. Forschungsergebnisse und Erkenntnisgewinne werden reflektiert und in einen gesellschaftlichen Kontext gestellt. Gleichzeitig werden Studierende exemplarisch auf einen Verantwortungsdiskurs über ihr Handeln vorbereitet. Es wird Verantwortung für das eigene Handeln übernommen und so eine gesellschaftliche Vorbildrolle eingenommen. Studierende an diesen Hochschulen lernen aktive Bürger:innen einer demokratischen Gesellschaft zu sein, welche sich für ein aktives Streben nach Frieden einsetzt. Folgen von Technologie sollen abgeschätzt werden und exemplarisch, anhand der Frage über die Rolle der Universität in der Gesellschaft, soll über die Gesellschaft als Ganzes diskutiert werden. Denn es geht um nichts weniger, als die epochalen Fragen und Herausforderungen der Menschheit und wie diese beantwortet werden.
Unsere Überzeugung und unser Wunsch
Universitäten sind dazu da, für Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit zu wirken. Wir wollen eine friedliche Welt und glauben daran, dass diese nur mit zivilen Mitteln erreicht werden kann. In diesem Sinne fordern wir, dass Hochschulen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und Zivilklauseln einführen. Damit ist einerseits der Auftrag der Universität für die Gesellschaft klar und deutlich, andererseits ist ausgeschlossen, dass staatlich finanzierte, zivile Forschungsinfrastruktur von der Rüstungsindustrie oder verschiedenen Militärs dieser Erde missbraucht werden kann.