[Veröffentlicht im Jänner 2020 in der zeitgenossin, sowie in htu.info]

Willkommen in den ‘20-ern. Die Erde brennt. Das beginnende Jahrzehnt wird über den Fortgang der Zivilisation entscheiden. Doch die Uni schafft es nicht, adäquate Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu geben. Kein Wunder. Diese werden erst gar nicht gestellt.

Im Dezember letzten Jahres hat die Technische Universität Wien (TU) per Presseaussendung die Gründung des Glock Research Lab für nachhaltige, emissionsarme Energie- und Mobilitätssysteme bekannt gegeben. Glock finanziert drei Doktorand_innen. Im Gegenzug sitzen die Glock Privatstiftung Glock Ökoenergie sowie Glock Technology GmbH Seite an Seite mit Forschenden der TU im Steering Committee des Projekts[1].

Das Problem mit der Drittmittelforschung

Dass Wissenschaftler_innen auf Zuwendungen der Firma Glock angewiesen sind, um wichtige Forschung zu Nachhaltigkeitsthemen finanzieren zu können, zeigt, wie schlecht es um die öffentliche Basisfinanzierung steht. Brauchen die Unis also mehr Firmen wie Glock, um an drängenden Fragen zu forschen? – Die Antwort ist: Haben sie bereits. An der Universität Wien sind 21,5% des wissenschaftlichen Personals durch die Gelder Dritter (Drittmittel) finanziert[2], an der TU sind es 36,2%[3]. Diese Gelder kommen von nationalen und internationalen Fördertöpfen, von Unternehmen oder von militärischen Institutionen. Das Problem dabei ist, dass Geldgeber_innen anhand ihrer Interessen eine Wertung der Forschungsthemen treffen. Durch die Vergabe von Mitteln entscheiden sie implizit, welche Fragen gestellt werden und welche nicht.

Nationale Fördertöpfe wie die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) vergeben Mittel für „[…] unternehmensnahe Forschung und Entwicklung […]“ im Sinne der nationalen ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ am Weltmarkt[4]. Unternehmen wie Glock oder die OMV finanzieren Forschung, die für sie ökonomisch verwertbar ist und zur Vermehrung ihres Kapitals beiträgt[5]. Doch zur Lösung der Klima- und Ressourcenkrise müssen andere Fragen gestellt werden: Wie können die begrenzten Ressourcen gerecht und zum Wohl der Menschen genutzt werden? Wie müssen zum Beispiel Konsumgüter konstruiert werden, damit sie langlebig und reparierbar sind?

Bei so genannter ‚Grundlagenforschung‘ sind der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und das European Research Council (ERC) zwei wichtige Player. Die Vergabe von Mitteln erfolgt nach dem Wettbewerbsprinzip anhand des diffusen Begriffs der ‚Exzellenz‘ – „Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe“, ist ein häufig verwendetes Bonmot[6]. Doch wer ist es, der sie erkennt? Meist entscheiden ‚anerkannte Gutachter_innen‘ aus dem Fachbereich in einem Peer Review Verfahren über die Vergabe von Mitteln. Problematisch ist, dass dadurch das jeweils vorherrschende Paradigma reproduziert wird. Ähnliches gilt für das Publikationssystem. Um in peer-reviewed Top-Journals zu publizieren, muss sich der Beitrag in den Mainstream einreihen. Zum Beispiel dominiert in den Wirtschafswissenschaften trotz der evidenten Widersprüche noch immer das neoliberale Paradigma. Pluralität sieht anders aus.

Militarisierung der Unis erwartet

Für militärische Geldgeber wie das Pentagon oder den European Defence Fund (EDF) zählt die militärische Verwertbarkeit. Seit 2014 erhielten österreichische Unis insgesamt 30 Millionen Euro vom US-Militär[7]. Zum Vergleich betrugen im Jahr 2015 die Gesamtausgaben für universitäre Forschung 2,16 Milliarden Euro[8]. Pro 1000 Euro kommen also circa zwei vom Pentagon. Doch es wird erwartet, dass die Gelder im Rüstungssektor innerhalb der EU massiv zunehmen. Der EDF wird ab 2021 jährlich voraussichtlich 5,5 Milliarden Euro für Rüstungsforschung- und Entwicklung bereitstellen[9]. Die Permanent Structured Cooperation (PESCO) verpflichtet die teilnehmenden Staaten bindend zu einer regelmäßigen Erhöhung der Verteidigungshaushalte – besonders in den Bereichen Beschaffung und Forschung[10]. Das Türkis-Grüne Regierungsprogramm bekräftigt diese Verpflichtung[11].

Bei zukünftigen Rüstungsprojekten wie dem Future Combat Air System (FCAS), der Eurodrohne (MALE RPAS) oder dem Kampfpanzersystem MGCS spielen digitale Technologien eine entscheidende Rolle. Damit die kurzen Entwicklungszyklen realisiert werden können, ist die Rüstungsindustrie auf eine enge Kooperation mit den Unis angewiesen. Die angespannte finanzielle Situation drängt Unis dazu, unmoralische Angebote anzunehmen.

Unis für Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit

Forschung im Dienst der Menschen braucht positive, ethische Maßstäbe wie Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit. Sowohl die Finanzierung von Forschung und Lehre, als auch die Uni selbst müssen diesen Maßstäben gerecht werden. Das impliziert einen freien Hochschulzugang, denn eine Uni kann nicht für Demokratie stehen, wenn sie der Ort einer reichen, vornehmlich männliche Elite ist.

Die Erde brennt und es betrifft uns alle. Niemand will eine +6° Welt voller Hunger, Ressourcenkriege und Klimaflucht. Damit wir nicht in einem Alptraum aufwachen, müssen wir unsere Verantwortung im gesellschaftlichen Transformationsprozess aktiv wahrnehmen und unsere Privilegien nutzen. Dafür gibt es kein Kochrezept. Die Autoren versuchen, diesem Anspruch unter anderem als Teil der Organisation Studierende gegen Rüstungsforschung (stugeru) gerecht zu werden.

Stugeru und die Zivilklausel

Stugeru ist eine offene, basisdemokratische Gruppe. Wir wollen eine friedliche und gerechte Welt, dafür machen wir uns groß und breit und stark. Bei uns sind alle willkommen, die unsere Visionen und Grundwerte teilen. Dazu zählen die Unanfechtbarkeit der Menschenrechte, die Ablehnung jeder Form von Diskriminierung sowie die kritische Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft.

Unser Ziel ist es, an möglichst vielen österreichischen Hochschulen eine so genannte Zivilklausel zu etablieren. Das ist ein Bekenntnis der Uni, für die Werte Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit nach innen sowie nach außen einzustehen und damit keine Finanzierung aus der Rüstungsbranche und von militärischen Insitutionen anzunehmen.

Erste Zivilklauseltagung in Wien

Im Oktober 2019 hat stugeru eine Zivilklauseltagung in Wien Organisiert. Im Zentrum stand die Forderung nach Universitäten, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Eine Zivilklausel ist ein Schritt in diese Richtung.

Es gab Vorträge, Workshops, Vernetzung und Essen. Finanziell ermöglicht wurde die Verantstaltung von der Bundesvertretung, der ÖH Uni Wien, der HTU, der ÖH BOKU, sowie von acht Basisgruppen auf der Uni Wien.

Inhaltlich spannte sich der Bogen von aktuellen rüstungspolitischen Entwicklungen über die Rolle von Forschungspolitik bis hin zu den Erfahrungen der Bewegung für Zivilklauseln in Köln und Berlin. Sechs Vorträge sind auf Youtube zu finden[12].

Um sich auf den Info Mailverteiler von stugeru einzutragen, reicht eine leere Mail an stugeru.info-subscribe@lists.riseup.net. Weitere Informationen gibt es auf der Website stugeru.org

Manuel Längle und Lukas Rachbauer für stugeru

Quellen:

[1] TU WIEN: Neues Forschungszentrum für nachhaltige Energie- und Mobilitätssysteme, APA-OTS, URL: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191203_OTS0103/tu-wien-neues-forschungszentrum-fuer-nachhaltige-energie-und-mobilitaetssysteme

[2] Universität Wien: Wissensbilanz und Leistungsbericht 2018, URL: https://universitaetsrat.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/d_universitaetsrat/Leistungsbericht_und_Wissensbilanz_2018_webinteraktiv.pdf

[3] TU Wien: Wissensbilanz 2018, URL: https://www.tuwien.at/fileadmin/Assets/tu-wien/Ueber_die_TU_Wien/Berichte_und_Dokumente/Wissensbilanz/TUW_Wissensbilanz_2018.pdf

[4] Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft: Die FFG, URL: https://www.ffg.at/FFG/Die-FFG

[5] Universität Wien: OMV und Universität Wien schließen Rahmenvertrag über wissenschaftliche Zusammenarbeit, URL: https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/omv-und-universitaet-wien-schliessen-rahmenvertrag-ueber-wissenschaftliche-zusammenarbeit/

[6] Thomas König: Was wissenschaftliche “Exzellenz” eigentlich bedeutet, STANDARD, URL: https://www.derstandard.at/story/2000055744883/was-wissenschaftliche-exzellenz-eigentlich-bedeutet

[7] Bettina Figl: Forschung, finanziert vom US-Militär, Wiener Zeitung, URL: https://www.wienerzeitung.at/archiv/pentagongelder/2041937-Forschung-finanziert-vom-US-Militaer.html

[8] Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Universitätsbericht 2017, URL: https://unidata.gv.at/Publikationen/Berichtswesen%20BMBWF/Universit%c3%a4tsbericht/Universit%c3%a4tsbericht%202017%20(barrierefrei,%20Version%2020180312).pdf

[9] Factsheet: The European Defence Fund, European Commission, URL: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/34509

[10] PESCO: Binding Commitments, European Union, URL: https://pesco.europa.eu/binding-commitments/

[11] Die neue Volkspartei, Die Grünen – Die Grüne Alternative: Regierungsprogramm 2020–2024, URL: https://www.dieneuevolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf

[12] Youtube Kanal von Studierende gegen Rüstungsforschung, URL: https://www.youtube.com/channel/UCYw9rOwsH-CcKl7Jp5ezNYg